Respekt – das gute Maß für ein konstruktives Miteinander
Schon allein das Wort schafft Distanz. Nicht um sich aus den Augen zu verlieren, sondern viel mehr um mehr vom anderen sehen zu können. Zu große Nähe reduziert den Gesamteindruck. Respekt ermöglicht eine ganzheitliches Bild der Person – und ist damit Voraussetzung für Höflichkeit und Wertschätzung. Wenn ich meinem Gegenüber – egal ob vorgesetzt oder auf kollegialer Ebene – nicht nur in die Augen schaue, sondern die Person mit all ihren Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Einstellungen sehe, wird die Kommunikation in guten und schwierigeren Tagen besser gelingen. Auch wenn es punktuell Meinungsverschiedenheiten, Mißverständnisse oder Konflikte gibt, so behalte ich Dank des Respektabstandes den ganzen Menschen im Blick – und der ist viel mehr als der Anlass für meinen momentanen Ärger und Stress.
Dieser gute Abstand ist nicht an ein „Sie“ in der Anrede gebunden – doch mitunter erleichtert dieser Formalabstand auch die Einhaltung der Spielregeln. Es gibt Menschen, die einem – Kraft ihrer Position oder ihrer Rolle im System – Respekt einflößen. Insignien der Macht verstärken diese Distanz: die Erreichbarkeit ist limitiert, die „Redezeit“ ist begrenzt, die persönliche Begegnung mehr Gnadenakt als Miteinander. Aufgabe dieser „WürdenträgerInnen“ ist es dann, ihrerseits vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, den Respektabstand von ihrer Seite aus auf ein konstruktives Maß zu reduzieren.
Gleichermaßen herausfordernd ist es, in Systemen mit sehr flachen Hierarchien eine gute Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden. Fließende Grenzen zwischen Kollegialität und Freundschaft verführen leicht zu Vermeidung von Konflikten, um die Komfortzone nicht zu gefährden. Damit geht aber unter Umständen die Chance auf Weiterentwicklung verloren – das Potential einer guten Konfliktlösung.
Damit Respekt nicht zum technischen Abstandshalter reduziert wird, sondern als belebendes Beziehungsvitamin gelebt wird, ist es hilfreich, auch immer wieder die respektvollen Umgang mit sich selbst zu überprüfen. Ein liebevoll-wertschätzender Blick auf das eigene Tun und Denken aus der Vogelperspektive ermöglicht nicht nur kleine oder auch größere Korrekturen. Dieser Blick nährt auch die Toleranz für ein konstruktives Miteinander im beruflichen und privaten Kontext.
Klingt super! Aber wie wird das gelebt? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt es doch. Also was ist, wenn man das selbst nicht liebt, nicht lieben kann, weil es den Regeln der Gesellschaft nicht zu entsprechen scheint? Z.B weil.man zu dick, zu faltig, zu neu, zu ungeübt, zu alt, und noch irgend ein ‚zu‘ ist? Vielleicht auch ein zu allein ist? Dann hat man/frau schon einen Makel, wo der Respekt Mangelware wird. Auf diesen Menschen hinzutreten, ihm jegliche Chance zu nehmen, ist heute leicht getan, weil wir in einer Gesellschaft leben, wo wir nur funktionieren dürfen -mit Abstand oder ohne. Auf jeden Fall ohne Respekt.